Wagen - und Kutschengeschichte



Allgemeine geschichtliche Entwicklun
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Die Kutschen bzw. Wagen entwickelten sich mit der Erfindung des Rades im 4. Jahrtausend vor Chr. und hatten zwei oder vier Scheibenräder auf starren Achsen. Um 2000 vor Chr. kam das Rad mit Speichen in Nordmespotamien (Landschaft im Irak zwischen Euphrat und Tigris) auf. Man spannte vor diese Kutschen unterschiedliche Zugtiere an, z.B. Rinder, Esel und Pferde. Große Bedeutung erhielt der Kutschenverkehr bei den Griechen und den Römern. Jedoch konnten die Pferde keine größeren Lasten ziehen wegen des noch unzulänglichen Zuggeschirrs. Auch der Norden kannte seit der Bronzezeit Kutschen und Wagen. In China war seit dem 5. Jahrh. das Kummetgeschirr weit verbreitet, jedoch erst im Mittelalter - ungefähr im 9. bis 10. Jahrhundert - machte in Europa die Erfindung des Kumtes die Kutschen und Wagen für größere Lasten geeignet. Im 13. Jahrhundert wurde durch die Erfindung der drehbaren Vorderachse die Kutschen und Wagen wendig. Eine weitere wesentliche Verbesserung, die vor allem den Reisekomfort steigerte, brachte Mitte des 15. Jahrh. die Federung von Wagenkasten und Fahrgestell, bei der der Wagenkasten am Fahrgestell mittels Ketten, Lederriemen oder Seilen aufgehängt war. Im 17. Jahrh. kamen "Mietkutschen" auf, so die Fiaker in Paris um 1650. Eiserne Wagenfedern sind seit dem 17. Jahrh. bekannt. Eine Verbesserung der Kutschenbauart war die leicht gebaute, gut lenkbare Berline um 1665. Die Staats- und Prunkwagen des 17. und 18. Jahrh. bezeichnete man allgemein als Karossen. Ein neuartiger Wagen, mit dem Joseph I. 1704 von Wien nach Landau in der Pfalz fuhr, war der Landauer. Friedrich Wilhelm I. führte um 1740 in Berlin Mietwagen, sogenannte "Droschken", nach russischem Vorbild ein. Der Begriff "Droschken" für die Anmietung von Wagen wurde übrigens im Sprachgebrauch so bedeutend, daß er sich in Deutschland noch bis in die 1960-ziger Jahre für Taxistellplätze hielt, obwohl es längst keine Kutschen mehr gab. 1816 trat neben die alte Drehschemellenkung des vierrädrigen Wagen die Achsschenkellenkung, die im Kraftwagenbau besondere Bedeutung erlangte. 1818 wurde der von Pferden gezogene Omibus eingeführt. Die geschlossene Postkutsche entstand im letzten Viertel des 18. Jahrh. Mit zunehmender Industrialisierung im 19. und 20. Jahrh. entstand ein größerer Reisebedarf für Güter und Personen, der dem Kutschen- und Wagenbau neue Impulse gab. Vor allem im 19. Jahrhundert kamen neue Entwicklungen von England ausgehend auch nach Deutschland. In dieser Zeit etablierten sich in Deutschland Kutschenlinien mit festen Fahrtagen und Fahrzeiten bis in die 20-ziger Jahre des 20. Jahrh. Simon Kremser gründete 1825 in Berlin ein Fuhrunternehmen mit gut gefederten Wagen für 10 bis 20 Personen. Aus England kam der Break, ein offener vierrädriger Gesellschaftswagen für 6 bis 8 Personen. Das ausgehende 19. Jahrh. stellte das vorläufige Ende des Kutschenbaus dar, weil durch das stetig zunehmende Aufkommen der Dampflokomotiven und damit verbunden der schnellere öffentliche Reiseverkehr die Entwicklung zunächst gestoppt wurde. Seit dem ausgehenden 19. Jahrh. wurde die Kutsche auch im privaten Reiseverkehr mehr und mehr von dem Automobil verdrängt.

Literatur:
<1> L. Tarr, Karren, Kutsche, Karrosse. Eine Geschichte des Wagens, 1978
<2> W. Treue, Achse, Rad und Wagen - 5000 Jahre Kultur- und Technikgeschichte, 1986


Auch heute noch gibt es in Deutschland verschiedene Postkutschenlinien für den Touristenverkehr in landschaftlich reizvollen Gegenden, die im Sommerhalbjahr in Betrieb sind. Stellvertretend für diese Postkutschenlinien soll die Geschichte der Postkutschenlinie Bad Kissingen - Bad Bocklet beschrieben werden.


Historie der Postkutschenlinie von Bad Kissingen - Bad Bocklet

1939

Am 7. Juni Einrichtung der Postkutschenlinie, zusammen mit mehreren anderen Pferdepostlinien im Reichsgebiet. Sie verkehrte damals zweimal täglich von Bad Kissingen nach Bad Bocklet zum Fahrpreis von 3,50 RM. Bedingt durch den 2. Weltkrieg Einstellung dieser Fahrten.

1950

Am 13. August Wiedereinführung zum erstmals veranstalteten Rakoczy-Fest als damals einzige Postkutsche im Bundesgebiet. Die Postkutsche ist eine Nachbildung einer Postkutsche aus der Zeit der "Kaiserlichen Reichspost". Sie wird von 4 Apfelschimmel gezogen und hat Platz für 9 Personen.Kutscher und Hornbläser tragen bayer. Postillionsuniformen.

1958

Die Kutsche fährt jetzt abwechselnd von Bad Kissingen nach Bad Bocklet und zum Schloßmuseum Aschach.

1967

Am 17. April Eröffnungsfahrt der neuen Kutsche, die in den Hauptwerkstätten der Kraftpostwagen in Bamberg in rund 15 Monaten hergestellt worden ist. Die neue Kutsche gleicht der bisherigen Postkutsche, Baujahr 1938, die erstmals am 7. Juni 1939 zwischen den beiden Badeorten verkehrte und ist eine getreue Nachbildung einer Kutsche aus der Zeit der Kaiserlichen Reichspost. Sie ist jedoch technisch verbessert und bequemer als die alte Postkutsche.

1973

Ab 1973 wird der Postkutschenbetrieb in eigener Regie durchgeführt. Der Poststall wird in der Oberen Saline eingerichtet.

Fahrtage:
Fahrten:


Gefahrene Kilometer:
Beförderte Personen:

täglich von April bis Oktober
ca. 170 Fahrten
mo, mi, fr, so nach Bad Bocklet
di, do, sa nach Aschach
4600
1520 (870 nach Bad Bocklet, 650 nach Aschach)

1980

Am 29. Juni Jubiläumsfahrt anlässlich des 30-jährigen Bestehens der Postkutschenfahrten zwischen Bad Kissingen und Bad Bocklet mit prominenten Gästen nach dem Kriege.

1982

Am 27. Juni Jubiläumsfahrt mit prominenten Gästen anlässlich der "Postkutschen-Saison in eigener Regie".


Bisherige Poststallhalter und Gespannführer sowie Postillone

Poststallhalter und Gespannführer:

 

Berthold Dürrstein

Postillon:

1950 - 1961

Max Heger

 

1962 - 1972

Walter Beck

 

bis 1980

Michael Schuldheis

 

ab 1980

Norbert Weingärtner

 

ab 1981

Norbert Weingärtner und Michael Kuhn im Wechsel


Fahrpreisentwicklung von 1959 bis 1981

Die Fahrpreise:

1950

5,00 DM

 

1957

7,00 DM

 

1958

8,00 DM

 

1962

9,00 DM

 

1963

12,00 DM

 

1972

15,00 DM

 

1973

18,00 DM

 

1977

20,00 DM

 

1980

22,00 DM

 

1981

25,00 DM

 
Technische Daten der Postkutsche
 

Baujahr

1967

Hersteller

Hauptwerkstätte für Postkraftwagen Bamberg

Gewicht

1990 kg

Länge

5 m, mit Deichsel 7,65 m

Breite

2,20 m

Höhe

2,65 m

hydr. Vierradbremse

 

mechanische Seilbremse für die Hinterräder (zusätzliche Anfertigung)

Sitzbreite

1,60 m

Breite von Rad zu Rad

2,15 m

Abstand zw. Vorder- u. Hinterräder

2,55 m

Durchmesser Vorderräder

1,00 m

Durchmesser Hinterräder

1,30 m


Die neue Postkutsche ist eine getreue Nachbildung ihrer Vorgängerin von 1937. Es wurden jedoch einige Verbesserungen zur Erhöhung des Fahrkomforts und der Verkehrssicherheit mit eingebaut. Die neue Postkutsche bietet bequemere Einstiegsmöglichkeiten; Vorderteil mit 3 Sitzplätzen und Hinterabteil mit 6 Sitzplätzen sind nicht mehr – wie bisher – durch eine Holzwand, sondern nur noch durch eine Glasscheibe voneinander getrennt. Das Rückfenster wurde vergrößert, so daß es nunmehr bessere Aussicht bietet. Außerdem erhielt die neue Postkutsche eine 2. Sicherheitsbremse. Der erste Einsatztag dieser Kutsche war der 17. April 1967.

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